Dass Alpinski nicht die nachhaltigste aller Urlaubsformen ist, hat sich längst herumgesprochen. Wir wagen das Experiment und machen einen Familien-Winterurlaub im Tiroler Oberland – ohne eine einzige Piste zu betreten.
Selbstkasteiung, sich Freude versagen… So mancher Vorwurf in diese Richtung kommt, wenn man sich nur außerhalb der künstlich beschneiten Pisten und der Seilbahnen bewegen möchte. Aber ist denn wirklich alles am Skifahren so wunderbar? Winterliches Anstehen vor den Liften, Gedrängel beim Mittagessen und auch die sich selbst überschätzenden Raser auf den Pisten – das sind für mich die Schattenseiten. Und runterkommen, durchatmen, Freude empfinden in verschneiten Traumlandschaften, das alles geht auch ohne Skifahren – nein, viel besser sogar.
Dass man dabei auf Geschwindigkeit nicht verzichten muss, erfahren wir, als wir uns mit der Wanderführerin Gisela Lentsch treffen. „Wir machen heute eine Kombitour, mit Schneeschuhen den Berg rauf, mit Schlitten wieder runter“, erklärt sie.
Winterurlaub ohne Skifahren
Gut zu Fuß statt auf Ski

Unser Ziel ist die Gogles Alm, die einzige Hütte in der Region, die außerhalb des Skibetriebs geöffnet ist. Und besonders die Anwohner danken es Hüttenwirt Joachim, indem sie an den freien Wochenenden hinaufwandern und die Alm bevölkern. „Daran liegt es auch, dass wir hier so viele Einheimische sehen“, erzählt Gisela – denn auch die haben oft den Skirummel satt. Eine Seilbahn gibt es hier natürlich nicht. Wir treffen uns mit ihr am Parkplatz unterhalb des Naturparkhaus Kaunergratund. Gisela holt Schneeschuhe raus, unter denen sich extra dicke, lange Zacken befinden – Alpin-Schneeschuhe. „Wir werden jetzt 500 Höhenmeter überwinden – und das wird an manchen Stellen ziemlich steil.“

Naturlehrgang im Schnee
Für die Kinder ist das keine leichte Wanderung, aber meine Jungs halten sich wacker. Zumal Gisela auch Naturparkführerin ist. Zwischendurch halten wir immer wieder an, weil sie uns auf Dinge in der Winterlandschaft aufmerksam macht, die wir sonst übersehen hätten: „Da, ein Eichhörnchenfressplatz“, sagt sie und zeigt auf ein wildes Durcheinander von zerstückelten Zapfen unter einer Fichte.

Die Samen müssen sich die Tiere einzeln unter den Samenschuppen herausklauben. „Deshalb sagt man auch: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“, erklärt Gisela und zeigt uns einen abgefressenen Fichtenzapfen – und gleich daneben einen noch stärker geplünderten Zapfen-Strunk. „So sieht das aus, wenn sich eine Maus über die Reste hergemacht hat.”

Gisela macht uns auf Bartflechten aufmerksam, die an der Fichte hängen, und erzählt, dass diese natürliches Antibiotikum enthalten. Sie weiß viel über die heilende Wirkung der ätherischen Öle im Fichtenharz und so ganz nebenbei erfahren wir da auch, dass sie ein Diplom in Volksheilkunde hat. Schade, dass das heute nicht unser Hauptthema ist, ich könnte ihr stundenlang zuhören.
Als wir weiter hinaufkommen, wird der Blick immer weiter, fällt über die mit weißem Puder bedeckten Berge und über die Schneefelder, die die gleißende Sonne reflektieren. Herrlich, dass man im Winter in den Bergen so gut Sonne tanken kann. Das hat mir so gefehlt bei uns zu Hause im trüben Norden.

Die Schlittenfahrt als Belohnung
Und immer wieder erfahren meine Söhne ein lobendes Wort oder anerkennendes Schulterklopfen von anderen Skiwanderern, die uns überholen. Stolz erreichen wir die Alm und oben wartet die Belohnung in Form von Kaiserschmarrn, Tiroler Knödelsuppe und einer erfrischenden Kräuterbrause. Wir kommen mit den Nachbarn ins Gespräch, alle stammen scheinbar aus der Region, für Auswärtige scheint es hier noch ein richtiger Geheimtipp zu sein. Sitzen auf den Holzbänken vor der Hütte, tanken noch mehr Sonne und genießen einfach die Aussicht – es ist urgemütlich. Aber die Kinder drängeln schon, denn jetzt gibt es Action: Wir schnappen uns die Rodelschlitten, die man hier oben auf der Alm ausleihen kann – und dann geht es abwärts im Geschwindigkeitsrausch. Juchzen, Lachen bei der Fahrt um scharfe Kurven und durch den Wald. Die Schlittenfahrt zieht sich richtig lang hin.
Fragt mal einen Bergsteiger, ob er das gleiche Gipfelgefühl empfindet, wenn er mit einem Hubschrauber nach oben geflogen wird. Natürlich ist das leichter, aber macht es glücklicher? So lässt sich wahrscheinlich erklären, dass auch Schlittenfahren einfach mehr Spaß bringt, wenn man sich die Freude mit einem mühsamen Aufstieg verdient hat. Nach unserer Reise werden die Kinder sagen, dass diese Tour das Anstrengendste, aber auch das Tollste in den Bergen war, Zitat: „Absolut geil!“ 😉

Am nächsten Tag kommen vor allem wir Eltern auf unsere Kosten und wieder scheint die Sonne, kein Wölkchen zeigt sich am Himmel auf der Fahrt in eines der malerischsten Hochtäler Tirols, Pfundser Tschey. Es ist so hell, dass wir als allererstes unsere Sonnenbrillen aus den Rucksäcken fischen, als wir beim Berghof ankommen. „Das nennt sich inneralpines Trockenklima“, sagt Hüttenwirt und Wanderführer Andreas Thöni grinsend. Der Schnee liegt zwar im Tiroler Oberland nicht immer meterhoch wie anderswo, aber dafür gibt es hier das ganze Jahr über Sonne satt. Die Minusgrade spüren wir kaum noch, als wir uns mit Schneeschuhen aufmachen in das Hochtal Pfundser Tschey. Überall ziehen sich dort die braunen Heustadeln an den weißen Hängen entlang, es müssen über hundert sein. Und weiter oben steht sogar eine kleine Kapelle, die passenderweise „Maria Schnee“ heißt. Hier herrscht Stille und Bergeinsamkeit, nur unser Atmen und das Knirschen des Schnees begleitet uns, während wir durch das Hochtal wandern – eines der meistfotografierten Tirols. Mittags kocht Andreas´ Vater für uns – wir sitzen ganz allein auf der Terrasse vor dem Berghof und staunen über die Fernsicht.

Von Eislaufen und Wildtierfütterung
Aber Wandern ist längst nicht alles, was man in der Region mit der Familie im Winter unternehmen kann. Wir gleiten über die mehr als 7.000 Quadratmeter große Eislauffläche, die sich in diesem Winter auf dem zugefrorenen Badesee in Ried gebildet hat. Auch wer – so wie wir – spät dran ist, kann sich noch auf die Kufen schwingen, denn der See ist bis 24 Uhr beleuchtet.

Am Kobl bei Pfunds bieten Hermann Eiter und seine Frau Margit einmal pro Woche Familien an, bei der Wildtierfütterung zu helfen. Highlight ist der weiße Hirsch Hansi, dessen Fell vor der weißen Schneelandschaft besonders edel wirkt, fast wie ein Fabelwesen, das sich hierher verirrt hat. Und Hirschkuh Angelika frisst meinem Jüngsten sogar aus der Hand – genauso wie das Muffelwild.
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Coole Ideen zum Urlaub, danke! Ein Naturlehrgang im Schnee sowie auch Eislaufen und Wildtierfüttern wären ja auch für meine sehr interessant. Die Freunde haben mir Sölden mit seinen komfortablen Appartements geraten. Dies könnte eine gute Chance sein. Danke für die Tipps!
Hallo, das ist auch mal eine coole Idee! Ich dachte bisher immer, dass es keine alternativen für einen Skitag gibt. Zu fuß ist man eigentlich auch ganz gut unterwegs. Super Idee finde ich. Schön auch mal Tiere zu füttern. Danke für den genialen Blog!