Alle meine Reisen haben nur ein Ziel: Ich möchte wissen, wie die Menschen vor Ort leben, was sie essen und trinken, wie sie arbeiten und wie sie sich vergnügen. Lokale Stimmungen und Eindrücke möchte ich vor Ort aufsaugen. Ich stehe nicht großartig auf Sightseeing, sondern erlaufe ganze Ortschaften und Städte. Dabei versuche ich stets, möglichst nachhaltig zu reisen. Aber was heißt das jetzt wieder mit dieser Nachhaltigkeit konkret? Das heißt, dass ich Flugreisen reduziere, gerne in Eco-Lodges absteige, Müll vermeide und auf regionale Produkte zurückgreife. Und obwohl ich auf meinen Reisen immer mit Einheimischen ins Gespräch komme und versuche so wie sie zu leben, fühle ich mich doch immer als Tourist.
Nun vielleicht mal ein „guter“ Tourist?

Ugandas Hauptstadt Kampala
Vor Kurzem war ich wieder ein Tourist. Aber ich bilde mir ein, einer von der guten Sorte gewesen zu sein. Anfang März brach ich auf und flog nach Uganda. Die Erfahrungen einer Freundin brachten mich auf die Idee, mal nicht als Backpacker oder Pauschalreisender durch ein Land zu ziehen. Ich entschied mich für ein Volunteering der Organisation Karmalaya. Um etwas Gutes für die Natur zu tun, setzte ich auf den ökologisch nachhaltigen Schwerpunkt und hatte vor, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Gerne hätte ich auch mit Kindern gearbeitet, aber drei Wochen schienen mir zu wenig Zeit, um eine Beziehung zu den Kids aufzubauen. Sozial nachhaltig wäre das nicht gewesen. So kam es zu viel Feldarbeit, aber auch vielen wertvollen Erfahrungen.
Das Dorf Nandere
Nachdem ich etwas länger als eine halbe Woche in Kampala, der Hauptstadt Ugandas, lebte und mir Wissen zu Sprache und Kultur angeeignet und mit fließendem Wasser, Strom und einem nahegelegenen Pool ein echtes Luxusleben geführt hatte, reiste ich in das kleine Dorf Nandere.
Father Joseph-Mary Kavuma, ein Priester der Gemeinde in Nandere, holte mich nach der Einführungsphase aus Kampala ab und wurde über die Zeit meines Aufenthalts vom Ansprechpartner zum humorvollen Freund, mit dem ich viele lustige Erlebnisse hatte und auch mal ein Bierchen trinken konnte.

Father Joseph

Father Joseph’s Pfarrei
Wir sprachen viel über die Natur, heimische Pflanzenarten und verglichen die Umweltprobleme in Deutschland und Uganda. Father Joseph ist jemand, der anpackt und seine Visionen verfolgt. Er hat Afrika noch nie verlassen, aber weiß genau Bescheid, was im Rest der Welt passiert. Etwa 650 Hektar Land gehören der katholischen Gemeinde in Nandere. Seitdem er vor etwa sieben Jahren das administrative Zepter in die Hand genommen hat, entsteht viel Gutes in Nandere. Er verteilt Landesflächen kostenfrei an arme Bevölkerungsteile und gibt ihnen somit die essenzielle Grundlage für ein eigenständiges Leben.

Bei der Maisarbeit und dem Pflanzen eines Eukalyptus-Waldes.
Den größten Teil der Fläche bewirtschaftet er mit sechs bis zehn Feldarbeitern selbst und baut überwiegend Mais, Bananen und Zuckerrohr an. Vor fünf Jahren brachte er den Menschen im Dorf bei, dass für jeden gefällten Baum mindestens zwei neue gepflanzt werden müssten. Noch bis vor wenigen Jahren wurde dies nicht getan. Heute ist das alles anders. Father Joseph und Emma, ein junger und studierter Naturliebhaber, beschützen die weiten Flächen der Gemeinde. Täglich fahren sie durch die Waldgebiete, stoppen gefährliche Brandrohdungen der Felder und markieren zusammen mit einem Förster Bäume, die gefällt werden können, um Platz für andere Pflanzen zu schaffen.
Eine Kirchengemeinde in einem anderen Dorf will eine neue Kirche bauen, erzählt mir Emma. Dafür dürfen sie markierte Bäume in den Wäldern Nanderes schlagen und abtransportieren. Akribisch notiert sich Emma in einem kleinen Heftchen wie viele Bäume in der letzten Woche gefällt wurden und wie viele Bretter Holz daraus vermutlich entstanden sind. Es geht nicht darum der anderen Gemeinde etwas in Rechnung zu stellen; es geht darum, Sorge für den Wald zu tragen, verrät er mir. Jeder geschlagene oder von Unwettern zerstörte Baum wird vermerkt, sodass immer ein Überblick über den kompletten Waldbestand besteht.

Es wird genauestens notiert, wie viel Holz abtransportiert wird, um den Baumbestand zu schützen.
In den letzten Jahren haben Father Joseph und Emma bereits einen Kiefern- und einen Eukalyptuswald gepflanzt. Die Pflanzung eines dreizehn Hektar großen weiteren Eukalyptuswaldes haben wir während meiner Zeit in Nandere begonnen.
Die Tage zuvor arbeitete ich im Kiefernwald und half dabei, die Kiefern bis zu einer Höhe von acht Metern zu beschneiden. Dadurch werden die Bäume kräftiger und wachsen wesentlich schneller in Höhe und Breite.

Wenn der Kiefernwald so aussieht, freuen sich die Forstwirte.
Zusammen mit den anderen Feldarbeitern erledigte ich außerdem diverse andere Tätigkeiten auf den Bananenplantagen, dem Maisfeld oder bei der lebenswichtigen Wasserversorgung. Mein Projekteinsatz war also vielfältig, lehrreich und echt anstrengend. Doch was habe ich erreicht? Was hat mein Aufenthalt bewirkt?
Der Trugschluss der Volontäre
Als Volontär stellt man sich gerne vor, dass man als rettender Helfer, ja gar als Entwicklungshelfer, in eine Region reist und mal so richtig anpackt. Man vermutet, den Menschen eine enorme Hilfe zu sein, doch ganz so großartig ist es meiner Meinung nach meistens nicht.
Besonders im Dorf Nandere wissen die Menschen, was sie tun. Menschen wie Father Joseph und Emma haben verstanden, welche Bedeutung Wald und auch Forstwirtschaft für die Menschen haben. Sie kennen den Wert der Natur und wissen, dass der Schutz der Umwelt auch in Afrika angegangen werden muss.
Ein Volontär bringt meistens kein großes Know-how in die Region und auch die Bereitstellung der Arbeitskraft bleibt fraglich, ist ein arg diskutiertes Thema. Wenn man es so betrachtet, habe ich in meiner Projektzeit einem Ugander seinen Arbeitsplatz weggenommen und auch noch dafür bezahlt.
Also, was hat mein Einsatz nun überhaupt gebracht?
Mein Einsatz hat vor allem interkulturellen Austausch gebracht und ich konnte den Menschen vor Ort erklären, wie wir Umweltschutz in Deutschland angehen, welche Vorgaben es gibt, und wie jeder Einzelne etwas für die Umwelt tun kann.

Interkultureller Austausch ist oft das, was nachhaltig in den Köpfen der Menschen bleibt.
Außerdem konnte ich vermitteln, dass wir in Deutschland ebenfalls für unseren Erfolg arbeiten müssen – auch wenn wir sicherlich andere Startbedingungen haben.
Hätte ich es dabei belassen, dann hätte mein Einsatz wohl keinen langfristigen Erfolg gebracht. Doch durch einzelne kleine Projekte wird mein Aufenthalt als Volontär noch eine Weile in Erinnerung bleiben. Mit ein paar Spenden aus meinem Freundes- und Familienkreis konnte ich ein Abendessen im Dorf und ein Fußballspiel mit tollen Preisen organisieren.

Ein kleines Fußballturnier – auch das gehört zum interkulturellen Austausch.
Doch mein größtes Projekt steht noch bevor. Zusammen mit Father Joseph, einem Ingenieur aus Kampala, und einer Online-Spendenkampagne will ich in den nächsten Wochen etwa 8.000 Euro sammeln, um den Menschen im Dorf Nandere einen funktionsfähigen Brunnen bauen zu lassen. Vor Ort habe ich gesehen, wie rar Wasser in der Trockenzeit in Uganda ist und wie viel Lebensqualität wir mit einem vergleichbar kleinen Spendenbetrag über Jahre schaffen können.
Auch OTTO hat erkannt, dass die Wasserversorgung in ländlichen Gebieten Afrikas wichtig ist, um die Lebensqualität der Bewohner zu sichern. Deswegen wurde das Projekt „Drop for Life“ ins Leben gerufen. Mehr darüber erfahrt ihr im re:BLOG-Beitrag „Drop for Life: Wasser für Mosambik“.
alle Kommentare anzeigen (2)
Hallo Vera,
bitte entschuldige. Ich habe deinen Kommentar eben erst gelesen.
Du hast Recht. Es geht vielen Volontären wirklich nur um das individuelle Abenteuer.
Wie engagierst du dich bei Ärzte ohne Grenzen?
Das Brunnenprojekt ist inzwischen voll im Gange. Wir haben es hier im Beitrag auch verlinkt. 🙂
Viele Grüße,
Steven
Toll!
Ich finde es super, dass du auch eine scheinbar uneingeschränkt „gute“ Sache wie Freiwilligenarbeit kritisch hinterfragst, deine Schlüsse UND Konsequenzen daraus ziehst. Das ist wirklich bewundernswert!
Ich habe mich schon viel über Organisationen für Freiwilligenarbeit jeder Art informiert und doch hatte ich meist das Gefühl, es geht einfach nur um ein „Abenteuer“, das man sich etwas kosten lässt, bei dem man andere europäische Freiwillige trifft und sich eine lustige Zeit macht, bevor man dann wieder heimfährt und angebrochene Projekte zurücklässt (ganz besonders, wie du das mit den Kindern beschreibst!). Die fremde Kultur spielt dabei vielmehr eine Rolle als spannende Neben-Herausforderung, aber wirklich tiefe Auseinandersetzung sieht für mich anders aus.
Ich träume dann mal weiter vom Einsatz mit Ärzte ohne Grenzen… und ich hoffe, wir hören bald mehr vom Brunnenbau!
LG Vera