Wann immer ich zu einem neuen Arzt gehe, werde ich zuerst auf mein Gewicht angesprochen. Während ich früher gegängelt wurde, dass ich eine Diät machen soll, heißt es inzwischen meistens: „Bla bla bla … Da hilft nur eine Magenbypassoperation.“ Schwups halte ich einen Überweisungsschein für die entsprechende Klinik in unserer Stadt in Händen — für einen „Beratungstermin“. Und das, obwohl ich jedes Mal versichere, dass ich mich ausgiebig informiert habe und diese Operation für mich nicht infrage kommt.

Meine Meinung dazu wird nicht geduldet und bei jedem weiteren Arzttermin werde ich gefragt, ob ich denn endlich meinen Beratungstermin wahrgenommen habe. Wenn ich verneine, werde ich erneut belehrt, dass ich mich operieren lassen muss, wenn ich es nicht schaffe, so abzunehmen. Meinen Verstand, meine Meinung und das Recht an meinem eigenen Körper muss ich wohl vorher bei der Arzthelferin abgeben.
Ein ärztliches Interesse an dem eigentlichen Problem, mit dem ich in die Praxis gekommen bin, ist meist nicht vorhanden. Schließlich ist mein Übergewicht sowieso die Wurzel allen Übels, selbst wenn ein gebrochener Zeh Grund meines Arztbesuches ist.
Übergewicht mal schnell wegoperieren?
Die Magenbypassoperation, die mir von meinen Ärzten nahegelegt wird, ist ein schwerer, komplexer und vor allem unwiderruflicher Eingriff an einem gesunden Organ. 0,5 Prozent der Eingriffe enden tödlich. Das Sterberisiko ist zwar gering, aber dennoch vorhanden. Jede Operation ist risikoreich, auch für dünne Menschen. Bei dicken Menschen, da müssen wir uns nichts vormachen, ist es um ein Vielfaches erhöht. Neben den üblichen Risiken, die jede Art von Eingriff mit sich bringt, kann es zu folgenden Schäden kommen (auch bei gelungener Operation):
- Reflux (Sodbrennen)
- Erbrechen
- Blähungen
- Gallensteine
- Magenschleimhaut-Erkrankungen
- Leckagen der Klammer-Nähte
- Verengungen der künstlichen Magen-Darm-Verbindung bis hin zum Magenverschluss
- Nährstoffmangelsyndrom
- sehr häufig (bei 70–75% der Patienten) das Dumping-Syndrom: eine Sturzentleerung der Nahrung in den Dünndarm, verbunden mit Benommenheit, Übelkeit, Bauchschmerzen, Zittern und Schwitzen
Dauerhafte Gewichtsabnahme nicht garantiert
Was alle Patienten betrifft: Eiweiß, Spurenelemente und Vitamine können nach der Operation nicht mehr ausreichend über die Nahrung zugeführt werden und es müssen lebenslang Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden. Flüssige und breiige Nahrung kann leicht den verkleinerten Magen passieren und hochkalorische Lebensmittel wie Eis, Pudding und Limonaden können zu erneuter Gewichtszunahme führen. Selbst bei disziplinierter Ernährung ist ein „Rebound-Effekt“ nicht ausgeschlossen, der nach einigen Jahren eine erneute Gewichtszunahme zur Folge hat. Denn der Körper gewöhnt sich an die geringere Energiezufuhr und man nimmt dann wieder zu.
Adipositaschirurgie: Nur Symptombehandlung
Hat man durch die OP erfolgreich abgenommen, müssen als nächstes Hautüberschüsse wegoperiert werden. Am Bauch, am Rücken, am Busen, an den Beinen, an den Armen. Wieder eine Reihe von OPs. Einige Patienten erkranken nach der Operation an Drogen‑, Glücksspiel‑, aber vor allem an Alkoholsucht. Zum einen mag das daran liegen, dass man nicht mehr so viel Alkohol verträgt wie vor dem Eingriff und schneller berauscht ist, zum anderen liegt aber auch der Verdacht nahe, dass Patienten mit einer Essstörung ihre Gefühle nun nicht mehr mit Essen zudecken können und stattdessen zu anderen Suchtmitteln greifen, vor allem zum Alkohol. Adipositaschirurgie ist eben nur Symptombehandlung und keine Ursachenbehebung. Der Verlust von Gewicht nach einer bariatrischen Operation macht einen Patienten nicht automatisch zu einem glücklicheren Menschen.
Ich bin es Leid, mich rechtfertigen zu müssen
Für viele Menschen mag eine OP der richtige Weg sein, und es ist okay, dass man mir diese Möglichkeit auch einmal aufzeigt. Aber dann ist es auch gut. Mein Leidensdruck ist nicht so groß, als dass ich diese Operation, inklusive des Rattenschwanzes an Nachbehandlungen und Folgeoperationen, auf mich nehmen möchte. Außerdem bin ich am Lipödem erkrankt, auch nach einer Gewichtsabnahme bleibt die schmerzhafte Fettverteilungsstörung bestehen. Und obwohl ich so dick bin, bin ich ein zufriedener und glücklicher Mensch. Für Ärzte ist das wahrscheinlich unvorstellbar. Vielleicht lebe ich nicht so lange wie ein dünner Mensch, vielleicht aber doch und vielleicht fällt mir auch schon morgen eine Kokosnuss auf den Kopf. Dann ist es eben so … Denn eines ist sicher: Lebend kommt hier keiner von uns raus, egal ob dünn oder dick. Wichtig ist doch, was wir aus unserer kurzen Lebenszeit machen. Und ich habe beschlossen, jeden einzelnen Tag zu genießen.

Bariatrische Eingriffe — diese Methoden gibt es
Für alle, die sich intensiver mit dem Thema Adipositaschirurgie beschäftigen möchten, habe ich hier noch mal die unterschiedlichen Möglichkeiten aufgelistet:
- Magenballon: Ein dehnbarer Ballon wird per Endoskop durch die Speiseröhre im Magen platziert und dort mit einer Kochsalzlösung gefüllt. Dadurch wird das Magenvolumen verkleinert und ein schnelleres Sättigungsgefühl setzt ein.
- Magenband: Der obere Teil des Magens wird durch ein elastisches Band eingeschnürt, so dass ein sogenannter Vormagen entsteht. Ist dieser Vormagen mit Speisen gefüllt, setzt die Sättigung ein und der Patient isst deutlich weniger als bisher. Das Band kann genau wie der Magenballon wieder entfernt werden.
- Schlauchmagen (Magenverkleinerung): Etwa 3/4 des Magens werden operativ abgetrennt und entfernt. Übrig bleibt ein 2–3 cm schmaler Schlauch (Sleeve) mit einem sehr geringen Fassungsvermögen. Eine Magenverkleinerung kann nicht rückgängig gemacht werden. Ein weiterer Eingriff ist möglich, wie z. B. ein Magenbypass.
- Magenbypass: Zusätzlich zur Magenverkleinerung wird bei dieser Operation auch der Verdauungsweg verkürzt. Ein kleiner Teil des Magens (ca. 20 ml Fassungsvermögen) wird abgetrennt. Auch der Dünndarm wird durchtrennt. Der kleine, abgetrennte Magen wird dann wieder mit dem restlichen Dünndarm verbunden. Die Nahrung gelangt nun direkt von der kleinen Magentasche in den verkürzten Dünndarm. (siehe Infografik)

Die Operationen werden von der Krankenkasse unter bestimmten Voraussetzungen ab einem BMI von 40 bezahlt. Bei schwerwiegenden Begleiterkrankungen ab einem BMI von 35. Derzeit werden in Deutschland rund 15.000 bariatrische Operationen pro Jahr durchgeführt, Tendenz steigend. Prominente Patienten sind u.a. Sigmar Gabriel und Patricia Blanco.
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Liebe Conny, ich hatte 2010 eine Magenverkleinerung. Habe auch tatsächlich ca. 30 kg abgenommen. Leider habe ich dann aber festgestellt, dass ein kleiner Magen sich nicht automatisch auf den Kopf auswirkt. Der wurde nämlich nicht mit operiert. Kurz gesagt, ich wiege jetzt wieder ca. 132 kg, habe eine Verhaltenstherapie gemacht und beschlossen, dass ich nicht mehr an mir rumexperimentieren werde um abzunehmen. Und seit ca. 5 Jahren nehme ich nun auch nicht mehr zu. Für mich ist das ein Erfolg, da ich bereits als Kind pummelig war, ständig auf Diät gesetzt worden bin und mein Gewicht trotzdem immer mehr anstieg. Die Angst, dass ich SO keinen Mann und keinen Job finden würde (Eltern, Freunde), waren auch unbegründet. Ich bin auch mit Adipositas sehr glücklich verheiratet und habe einen tollen Job. Meinem Mann ist das Gewicht auch vollkommen egal. Seine Freundinnen waren schon immer „bunt“ gemischt. Jede® muss ihren (seinen) Weg finden. Allen viel Erfolg dabei!!!
Hallo 😊
Ich hab 2017 mit 27 Jahren bei 105 kg einen Schlauchmagen bekommen (bmi42)
Wiege aktuell 66–68 kg.
Bereue den Weg nicht. Habe keine Probleme und bin endlich ohne schmerzen in den Gelenken.
Richtig krass!!!
Danke für die Information, sehr gut erklärt.
Würde ich auch nur als allerletze Notlösung im Krankheitsfall zulassen.
Geht ansonsten gar nicht
L.G.