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OTTOs Interne Kommunikation erfindet sich neu
Kultur

OTTOs Interne Kommunikation erfindet sich neu

Von der Hofberichterstattung zum Internen Community Management

Autorin Kathrin Wittig Lesedauer: 3 Minuten
Wie ein erzwungener virtueller Umzug zu einem neuen Rollenverständnis geführt und was die Aufräum-Ikone Marie Kondo damit zu tun hat: Kommunikationsexpertin Sandra Tauchert spricht über die Evolution der Internen Kommunikation bei OTTO

Sandra, dein Titel lautet Senior Expert Communications Development & Structure. Keine klassische Kommunikator*innen-Jobbezeichnung. Was hat es damit auf sich?

SANDRA TAUCHERT: Ich sehe mich bei OTTO als eine Art Marie Kondo für Kommunikation. Die ist Expertin für Ordnung im eigenen Zuhause und hat eine Aufräummethode mit festen Regeln als Ausgangpunkt für mehr innere Ordnung entwickelt. Für mich lässt sich das auch auf Kommunikation übertragen: Bei OTTO arbeiten rund 5.000 Menschen und kommunizieren über eine stetig wachsende Zahl an Tools und Kanälen miteinander. Dafür braucht es einen entsprechenden Rahmen mit Regeln und eine grobe Struktur, innerhalb derer das alles stattfindet. Eine gewisse Ordnung eben. Denn Ordnung macht das Leben und damit auch die Kommunikation und die Informationsbeschaffung einfacher und übersichtlicher.

Interne Kommunikation – das sind im Unternehmen doch die, die das „Sprachrohr des Vorstands“ sind, also alle für Mitarbeiter*innen relevanten Infos ins Haus tragen sollen. Das klingt doch eigentlich sehr geordnet.

Das ist die klassisch Denke, ein bewährtes Modell, wie vermutlich die meisten Kommunikationsabteilungen arbeiten. Das hat bei OTTO auch viele Jahre gut funktioniert. Heute tut es das zumindest für uns nicht mehr, denn Kommunikation hat sich stark verändert – insbesondere merken wir das in unserem privaten Kommunikationsverhalten: Wir sind in Chat-Gruppen organisiert, schicken einander Sprachnachrichten, Fotos, Videos. Wir kommunizieren mehr und jederzeit miteinander – und das immer schneller. Nur logisch, dass sich das Verhalten früher oder später auch auf den beruflichen Kontext überträgt und die Interne Kommunikation keine Einbahnstraßen-Kommunikation mehr sein kann.

Und mit der Erkenntnis hast du mal eben die Interne Kommunikation bei OTTO umgekrempelt?

Nicht ‚mal eben‘. Und ‚fertig‘ sind wir auch noch lange nicht. Aber es gibt eine neue Vision, wie wir Interne Kommunikation bei OTTO begreifen und wo wir als Unternehmenskommunikator*innen neben den vielen ‚Alltagskommunikator*innen‘ einen klaren Mehrwert für das Unternehmen bieten können. Der Anlass, sich mit dieser Thematik konkret auseinander zu setzen, aber war tatsächlich ein erzwungener virtueller Umzug.

Was meinst du damit?

Wir hatten bis Februar 2020 ein sehr gut genutztes Social Intranet als virtuelles Zuhause für alle Kolleg*innen. Aus dem sind wir allerdings im wahrsten Sinne rausgeworfen worden, weil die alte CMS-Lizenz gekündigt und stattdessen auf Microsoft 365 umgestellt wurde. Das sollte nun unsere neue konzernweite Kollaborations- und Informationsheimat werden. Wir haben das als Anlass genommen, nicht einfach Kisten mit unseren alten Sachen ein- und im Neubau wieder auszupacken, also nicht einfach die alte Welt inklusive der alten Inhalte und Strukturen in eine neue Technologie zu überführen. Vielmehr war dieser Umzug für uns der Anlass, die gesamte interne Kommunikation bei OTTO mit allen Tools, Verantwortlichkeiten, Mechanismen und Prozessen auf den Prüfstand zu stellen.

Es geht darum, weniger Berichterstattende und Vorstandsorgan zu sein, sondern vielmehr unsere Kolleg*innen als eine große Community zu begreifen, die sich selbst informiert und kommuniziert.

Mit welchem Ergebnis?

Dabei herausgekommen ist ein völlig neues Rollenverständnis für uns als OTTOCOMMS, deutlich mehr Selbstverantwortung und persönlicher Gestaltungsspielraum für unsere Kolleg*innen in Sachen Kommunikation. Und die Erkenntnis, dass der Veränderungsschmerz zwar zunächst auf beiden Seiten recht groß war, aber es vor allem uns als Unternehmenskommunikator*innen schwerfällt, nicht immer wieder in alte Muster zu verfallen. Insbesondere in so außergewöhnlichen Zeiten wie zum Beispiel jetzt während der Corona-Krise.

Erklär bitte zunächst das verändertes Rollenverständnis für euch Kommunikator*innen.

Meine These ist, dass sich die Rolle der IK-Kommunikator*innen in Hinblick auf das Kommunikationsverhalten und die -bedürfnisse ändert: Es geht darum, weniger Berichterstattende und Vorstandsorgan zu sein, sondern unsere Kolleg*innen als eine große Community zu begreifen, die sich selbst informiert und kommuniziert. Uns Kommunikator*innen fällt dabei die Rolle der Community Manager*innen zu, die den Gesamtüberblick behalten, wo nötig sortieren, ganz viel beraten, als Vorbild und mit Beispielen animieren und so die Community am Laufen halten bzw. auch überhaupt erstmal zum Laufen bringen.

Denn die sich rein selbst organisierende und selbst regulierende Community halte ich für eine Legende. Sowas gibt es aus meiner Sicht nicht.

Wie wird aus Kolleg*innen im Haus, die es gewohnt sind, Informationen im Unternehmen zu konsumieren statt Kommunikation selbst zu gestalten, eine Community?

Indem wir uns in der Internen Kommunikation immer wieder darauf besinnen, wie Netzwerke aufgebaut sind und diese Mechanismen nutzen. Wie erwähnt, braucht es grundsätzliche Regeln für diese Community im Umgang miteinander, also eine Netiquette. Es braucht aber auch eine gewisse Grundordnung und -Struktur, welcher Kanal für welche Information sinnvoll ist und welches Tool für welche Art der Kommunikation geeignet ist, damit der Überblick nicht verloren geht und Informationen auch eine Chance haben, beim*bei der beabsichtigten Empfänger*in zu landen. Wir benötigen intern Influencer*innen, denn die Menschen folgen eher Personen und deren Meinungen, die sie besonders interessant, vertrauenswürdig und glaubwürdig finden. Also sehr vieles, was wir aus Social Media kennen und sich da bereits bewährt hat. So eine Art IK-Influencer-Relations also.

Und wie funktioniert das in der Praxis, machen alle mit?

Jein. Die eben beschriebene Sichtweise auf Kommunikation ist ja nicht nur neu für uns, sondern auch für unsere Kolleg*innen. Sie müssen sich ihrer neuen Selbstverantwortung in Sachen Kommunikation überhaupt erstmal bewusst und dann entsprechend befähigt werden, ihre Kommunikationsbedürfnisse auch selbst umzusetzen. Und auch nicht jede*r begreift sofort den großen eigenen Gestaltungsspielraum für sich als Chance, mit Themen und Botschaften im Unternehmen präsent zu sein. Das bedarf noch viel des Zuhörens und Unterstützens unserseits und Mut und Übung seitens unser*er Kolleg*innen. Aber wie heißt es so schön: Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut und Veränderungen brauchen nun mal Geduld und Zeit.