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Bewerbung in zwei Minuten: Wie geht das?
Kultur

Bewerbung in zwei Minuten: Wie geht das?

OTTO schafft nach dem Anschreiben nun auch die Motivationsfragen im Bewerbungsprozess ab. Jennifer Halemba, Head of Recruiting, erläutert im Interview die Hintergründe, Vorteile und Herausforderungen des neuen Verfahrens.

Jennifer Halemba verantwortet das Recruiting bei OTTO. Nachdem vor zwei Jahren bereits das klassische Anschreiben eingestellt wurde, entfallen nun auch die verpflichtenden Fragen zur Motivation, die Bewerber*innen bislang im Prozess beantworten mussten. Wir haben mit Jennifer Halemba zu den Hintergründen gesprochen.

Moin Jennifer, warum hat OTTO sich dazu entschieden, die Motivationsfragen im Bewerbungsverfahren abzuschaffen? Gab es bestimmte Gründe oder Herausforderungen, die zu diesem Entschluss geführt haben?

JENNIFER HALEMBA: Das waren sehr ähnliche Gründe wie 2016, als wir das verpflichtende Anschreiben eingestellt haben. Wir möchten den Bewerbungsprozess für Interessierte so niedrigschwellig wie möglich gestalten. Es soll einfach sein, sich bei OTTO zu bewerben und durch den Wegfall der Motivationsfragen verkürzt sich der Bewerbungsprozess um einen wesentlichen, häufig den zeitaufwändigsten Schritt. Darüber hinaus ermöglichen wir User*innen, die sich von mobilen Endgeräten aus bewerben, eine noch intuitivere Nutzung.

Zudem liefern die verpflichtenden Motivationsfragen uns oftmals auch keinen großen Erkenntnisgewinn, denn ähnlich wie beim Anschreiben auch, sind dies erfahrungsgemäß die Bestandteile der Bewerbung, bei denen Bewerbende sich oft Unterstützung von Dritten einholen.

Es gibt Unternehmen, die bewusst an vermeintlichen Bewerbungshürden, wie Anschreiben, festhalten. Sie argumentieren, dass sich vor allem dadurch herauskristallisiert, wer für die Position geeignet ist. Da könne man von Bewerbenden erwarten, sich etwas mehr Zeit zu nehmen. Wieso habt ihr euch für den genau anderen Weg entschieden?

JENNIFER HALEMBA: Seit mehreren Jahren ist nun schon zu beobachten, dass der Markt sich immer weiter zugunsten der Bewerbenden entwickelt und der „War for Talents“ ist für die meisten Companies mittlerweile zum Daily Business geworden. Wir passen uns den Wettbewerbsbedingungen an und setzen in diesem Punkt künftig auf Freiwilligkeit.
Kandidat*innen haben die Möglichkeit, ein Freitextfeld zu befüllen, sofern sie zu ihrer Bewerbung noch ergänzende Angaben machen möchten. Ob es sich dabei um einen Satz zur Motivation handelt oder um eine ergänzende Angabe beispielsweise zum möglichen Startdatum, liegt in der Freiheit unserer neuen potentiellen Kolleg*innen. Wir wollen dieses neue Freitextfeld lediglich als ein zusätzliches Angebot verstanden wissen.

Was erwartet ihr für positive Veränderungen, die mit dem neuen Bewerbungsverfahren einhergehen?

JENNIFER HALEMBA: Wir benutzen für das neue Bewerbungsverfahren gerne die Formulierung „Zwei-Minuten-Bewerbung“. Wie der Begriff schon verrät, kann sich nun jede*r innerhalb von zwei Minuten bei OTTO bewerben und das sehr nutzerfreundlich auch von mobilen Devices aus. Damit wird der Bewerbungsvorgang bei uns noch einfacher, unkomplizierter und seltener abgebrochen, eben weil er mit wenigen Klicks erledigt ist. Und auch die Recruiter*innen können sich noch gezielter auf die wesentlichen Aspekte der Bewerbung fokussieren.

Inwiefern verändern sich die Kriterien, die bei der Betrachtung der Bewerber*innen angewendet werden, wenn es keine Motivationsfragen zur Auswertung mehr gibt?

JENNIFER HALEMBA: Ehrlich gesagt verändert sich bei den Kriterien, die wir bei der Beurteilung von Bewerbungen heranziehen, nicht viel. Es mag sein, dass wir als Recruiter*innen stellenweise vermehrt in Pre-Check-Calls mit den Bewerbenden einsteigen, um hier und dort noch ergänzende Details zum Lebenslauf zu erfragen. Im Zweifel lohnt es sich aber nach wie vor für uns, bei spannenden Profilen auch schnell in den persönlichen Kontakt einzusteigen. Der Prozess, der nach der gesichteten Bewerbung folgt, bleibt gleich.

Hast du Tipps oder Ratschläge, wie Interessierte ihre Lebensläufe so aussagekräftig wie möglich gestalten können? Gibt es Informationen, die Bewerber*innen seit der Abschaffung der Motivationsfragen unbedingt in ihrem Lebenslauf aufführen sollten?

JENNIFER HALEMBA: Ein Lebenslauf sollte zwar auf das Wesentliche reduziert, aber natürlich vor allem auch möglichst aussagekräftig sein. Wir freuen uns, wenn Bewerbende nicht nur die verschiedenen Stationen in ihrer beruflichen Laufbahn aufführen, sondern zusätzlich drei bis fünf Tätigkeitsschwerpunkte der vorangegangenen Stationen darstellen. Das macht es uns einfacher, die fachlichen Perspektiven des Lebenslaufes zu durchdringen. Vielleicht auch interessant: Bei uns gibt es keine Seitenbegrenzungen bei Lebensläufen. Einige kennen ja vielleicht noch die konventionelle Ein-Seiten-Regel bei Lebensläufen. Auf solche althergebrachten Vorgaben legen wir keinen Wert. Für uns ist der Lebenslauf das Kernstück und die Basis eines Bewerbungsverfahrens. Da können es auch mal zwei oder drei Seiten werden.

Die Motivationsfragen werden erst ab Junior-Positionen abgeschafft. Wer muss auch heute noch Motivationsfragen beantworten und warum?

JENNIFER HALEMBA: Die Motivation ist und bleibt für jede ausgeschriebene Stelle bei OTTO ein sehr wichtiges Kriterium. Bei den Zielgruppen der Werkstudierenden, Praktikant*innen oder auch unseren Auszubildenden und dual Studierenden sind naturgemäß häufig keine, bzw. sehr geringe berufliche Vorerfahrungen oder fachliche Kenntnisse vorhanden. Daher ist das Kriterium der Motivation in der Vorauswahl für diese Zielgruppe noch relevanter für uns, um einen guten ersten Eindruck von der Bewerbung zu erlangen. Auf ein Anschreiben verzichten wir übrigens aber auch dort.

Bewerber*innen haben ab jetzt die Möglichkeit, freiwillig in einem Zusatzfeld weitere Informationen mit ihrer Bewerbung durchzugeben. Für welche Angaben könnte dieses Feld beispielsweise genutzt werden?

JENNIFER HALEMBA: Wir geben den Bewerber*innen so die Möglichkeit, noch ergänzend etwas loszuwerden. Das könnte zum Beispiel interessant für Quereinsteiger*innen sein, bei denen sich anhand des Lebenslaufes nicht unmittelbar herleiten lässt, warum Interesse an einer völlig neuen Fachrichtung besteht. Oder für Personen, die Lücken in ihrem Lebenslauf näher erläutern möchten. Aber auch für ergänzende Angaben zum möglichen Einstiegszeitpunkt oder der Gehaltsvorstellung ist hier Platz. Es steht jeder und jedem frei, von diesem Feld Gebrauch zu machen. Nutzt man es nicht, ergeben sich dadurch aber auch keine Nachteile.

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