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KI-Mythen im Check – die Zweite
Technologie

KI-Mythen im Check – die Zweite

Was stimmt und was ist totaler Humbug? Teil 2

Lesedauer: 4 Minuten
Freizeit-Mythos, Social-Distancing-Mythos, Entlassungsmythos – dank unserer KI-Expertin Dr. Michaela Regneri konnten wir in unserem ersten Teil der „KI-Mythen im Check“ nicht nur die ein oder andere Legende rund um das Thema künstliche Intelligenz zu Tage befördern, sondern gleich auch relativieren. Da das aber noch nicht alles war, deckt Michaela auch in Teil 2 wieder einige Mythen rund um das Thema künstliche Intelligenz auf.

Michaela, im ersten Teil unseres Checks hast du schon einige Mythen mit uns geteilt. Nun sind wir aber gespannt und wollen wissen, welche du noch auf Lager hast.

DR. MICHAELA REGNERI: Gerne! Fangen wir doch direkt mit dem sogenannten Skeptiker*innen-Mythos an. In vielen Unternehmen wird gleich mal abgewinkt, wenn es darum geht, künstliche Intelligenz einzusetzen: „KI? Die sind hier noch nicht so weit.“ Damit gemeint sind aber nicht die technischen Standards, die es für den Einsatz der KI bedarf. Mit einem solchen Spruch wird seitens des Managements oft ausgedrückt, dass die Mitarbeiter*innen noch nicht so weit sind, dass sie erst einmal das richtige „Mindset“ benötigten, bevor es an die Investition und Implementierung von KI-Anwendungen und Automatisierung im Unternehmen geht. Zumindest in unseren Umfragen sind uns keine „Automatisierungsfeinde" begegnet. Die Mitarbeiter*innen waren vielleicht manchmal skeptisch, aber insgesamt sehr neugierig und hoffnungsvoll, wenn es um künstliche Intelligenz ging.

Wenn es nichts mit dem Mindset der Mitarbeiter*innen zu tun hat, woran kann es stattdessen liegen?

An Themen wie KI muss immer fachübergreifend gearbeitet werden – denn das können Techies nicht im Alleingang machen oder Fachabteilungen einfach irgendwo „bestellen". Was oft fehlt, sind gute Angebote für alle Mitarbeiter*innen, um die neue Technologie besser einzuschätzen und Einsatzgebiete zu finden. Noch wichtiger ist allerdings, dass die Organisation für solche interdisziplinären Themen flexibel genug ist: Mitarbeiter*innen müssen über Bereichsgrenzen hinweg gut zusammenarbeiten können. Außerdem sollte das Unternehmen bereit sein, in eine Technologie zu investieren, die sich vielleicht erst ein paar Jahre später rechnet – aber dann so richtig. Zu beidem passen traditionelle Organisationsstrukturen eher weniger gut.

Es liegt also weniger an den Mitarbeiter*innen als am Management? Was empfiehlst du solchen Unternehmen

Egal, ob die Mitarbeiter*innen im Management tätig sind oder nicht und auch egal, ob sie in der IT oder einer Fachabteilung sitzen: Für so mächtige Technologien braucht es Motivation, selbst mitzugestalten. Mitarbeiter*innen brauchen Skills und Freiheiten, um ihre Rolle mit Automatisierung neu zu finden. Führungskräfte sollten dafür belohnt werden, auch wagemutige Investitionsentscheidungen zu treffen, die sich vielleicht erst im nächsten Geschäftsjahr rechnen. Dafür muss sich in der klassischen Organisation viel ändern. Allerdings nicht primär die Mitarbeiter*innen – die sind so weit. Es ist also an der Zeit, dass dieser Mythos aus den Köpfen kommt.

DR. MICHAELA REGNERI Egal, ob die Mitarbeiter*innen im Management tätig sind oder nicht und auch egal, ob sie in der IT oder einer Fachabteilung sitzen: Für so mächtige Technologien braucht es Motivation, selbst mitzugestalten.

DR. MICHAELA REGNERI

Nachdem der Skeptiker*innen-Mythos also geklärt wäre: Hast du noch einen weiteren Mythos für uns?

Einen hätte ich noch: den Filter-Bubble-Mythos. Oft heißt es, KI zerstöre Vielfalt, Entscheidungsfreiheit und Entdecker*innen-Geist. Vorneweg ist hier zu sagen, dass es sich bei diesem Mythos weniger um Mitarbeiter*innen, sondern eher um Kund*innen und Empfehlungssysteme dreht. Viele kennen es wohl: ob bei Netflix, Spotify oder auf otto.de – der Algorithmus schlägt uns irgendwann nur noch die Inhalte vor, die zu unserem Verhalten passen. Und genau hier greift der Mythos: Er behauptet, dass durch künstliche Intelligenz unser Entdecker*innen-Geist und auch unsere Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, ja sogar zerstört wird.

DR. MICHAELA REGNERI Aber aus keiner Filter-Bubble kommt man so schnell heraus, wie aus denen des digitalen Zeitalters: Mit nur zwei Klicks kann man seinen Horizont viel mehr erweitern, als das jemals zuvor möglich war.

DR. MICHAELA REGNERI

Darüber lässt sich sicherlich streiten. Wie ist deine Meinung dazu?

Ich sehe das anders, allerdings ist das nur meine persönliche Meinung und basiert auf keinerlei Studien. Ich denke, dass wir am Ende eigentlich alle in einer Filter-Bubble leben. Das war schon immer so und hat nicht unbedingt etwas mit künstlicher Intelligenz zu tun. Es gibt sicherlich Filter-Blasen, aus denen man nicht so einfach ausbrechen kann. Aber aus keiner Filter-Bubble kommt man so schnell heraus, wie aus denen des digitalen Zeitalters: Mit nur zwei Klicks kann man seinen Horizont viel mehr erweitern, als das jemals zuvor möglich war. Meiner Meinung nach ist das also kein KI-Problem, sondern ein menschliches. Wir sollten neugierig bleiben und auch mal rechts und links unserer Bubble nach Neuem schauen.

Das lassen wir als Schlusswort gerne so stehen. Vielen Dank für die Einblicke in die KI-Mythen-Welt!

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