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Transidentity Guide: Geschlechtliche Identität gehört an den Arbeitsplatz
Kultur

Transidentity Guide: Geschlechtliche Identität gehört an den Arbeitsplatz

OTTO startet in den European Diversity Month mit einem ersten Transidentity Guide und spricht mit dem Bundesverband Trans*

Autor Francesco Di Bari Lesedauer: 3 Minuten
In Deutschland werden trans Menschen oft übersehen – auch am Arbeitsplatz. OTTO will das ändern. Unisex-Toiletten, Gendersprache und LGBTIQ*-Netzwerk tragen jetzt schon dazu bei. Mit einem Transidentity Guide wird der Fokus nun auf das T in LGBTIQ* gelegt.

In Zusammenarbeit zwischen dem Diversity & Inclusion-Team, dem queeren OTTO-Netzwerk MORE* sowie dem LGBTIQ*-Netzwerk von EOS (Queer@EOS) ist ein Leitfaden für trans Kolleg*innen, das Kollegium und Führungskräfte entstanden. Der sogenannte Transidentity Guide klärt auf, sensibilisiert und macht Erfahrungen, die trans Menschen in Deutschland – privat wie beruflich – täglich erleben, für alle zugänglich. Gleichzeitig ist er Anlaufstelle für Kolleg*innen und Führungskräfte bei Fragen rund um Transgeschlechtlichkeit.

Der neue Transidentity Guide von OTTO trägt dazu bei, trans Menschen und ihre Bedürfnisse sichtbarer zu machen. Doch braucht es das, gerade auch im Berufsalltag?

Im Gespräch mit Gabriel_Nox Koenig, Referent*in für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Bundesverband Trans*

Wie ist die rechtliche Situation von trans Menschen in Deutschland, auch im Vergleich zu anderen europäischen Staaten?

Die rechtliche Lage in Deutschland ist kompliziert und im Vergleich zu anderen europäischen Staaten schlechter. So hat etwa die Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag in Deutschland viele Hürden. Das wirkt abschreckend und einschüchternd. Trans Menschen gelten rechtlich als „krank" und so liegen bspw. Entscheidungen über körperliche Veränderungen bei anderen, nicht bei ihnen selbst. So entscheiden Richter*innen und Gutachter*innen heute darüber, ob Vorname und Geschlechtseintrag geändert werden können. Viele europäische Staaten haben dies in den vergangenen Jahren verändert. Bereits 2015 sprach sich der Europarat für ein schnelles, transparentes und zugängliches Verfahren bei der Änderung von Geschlechtseintrag und Namen aus. Selbstbestimmung sollte die Basis sein, um Diskriminierung gegenüber trans Menschen abzubauen. 2020 folgte eine LGBTIQ*-Gleichstellungsstrategie der EU, die dies ebenfalls empfiehlt. Die deutsche Rechtslage entspricht dem leider noch nicht. Zudem sind trans Menschen in Deutschland nur unzureichend durch das Grundgesetz vor Diskriminierung und Benachteiligung geschützt.

Gabriel_Nox Koenig, Referent*in für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Bundesverband Trans* Die rechtliche Lage in Deutschland ist kompliziert und im Vergleich zu anderen europäischen Staaten schlechter

Gabriel_Nox Koenig, Referent*in für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Bundesverband Trans*

Das deutsche Transsexuellengesetz (TSG) gilt seit dem 1. Januar 1981. Ist so ein Gesetz noch zeitgemäß?

Nein. Dass das TSG überhaupt nicht mehr zeitgemäß und auch nicht menschenrechtskonform ist, zeigen die vielen Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts: Bereits sechs Mal wurden Passagen des Gesetzes gestrichen oder ausgesetzt. Für eine Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag ist nach wie vor ein Gerichtsverfahren notwendig, in dessen Rahmen zwei sogenannte Sachverständigengutachten angefertigt werden. Diese werden zumeist von Psychiater*innen erstellt und gehen mit Fragen einher, die in die Intimsphäre von trans Menschen eindringen. Mit der eigentlichen Frage – Welchem Geschlecht fühle ich mich zugehörig? – haben sie nichts zu tun. Trans Menschen werden zum Beispiel nach ihrem Sexleben und Masturbationsverhalten befragt. Im Rahmen der Gutachten wird außerdem nach wie vor die Diagnose "Transsexualismus" vergeben, die die WHO faktisch bereits abgeschafft hat und die nicht dem Stand der Wissenschaft zu dem Thema entspricht.

Was muss sich rechtlich tun, damit trans Menschen in Deutschland besser unterstützt werden?

Neben einer Abschaffung des TSGs und einer selbstbestimmten Möglichkeit, Vornamen und Personenstand zu ändern, müssten die Diskriminierungen beendet werden, die trans Menschen nach wie vor in jedem Lebensbereich erfahren. Darüber hinaus muss der Zugang zu transspezifischer Gesundheitsversorgung gewährleistet werden. Ein wichtiges Thema ist zudem der Schutz vor und die Unterstützung nach Hasskriminalität. Gewalt gegen trans Menschen wird meist nicht getrennt erfasst, sensibilisierte Anlaufstellen sind schwer zu finden. All diese Themen betreffen mehrfachdiskriminierte, wie z. B. geflüchtete trans Menschen besonders stark. Helfen könnte ein flächendeckendes Beratungsangebot, das trans Menschen auch nach einem Coming-out oder nach Erfahrungen von Diskriminierung Unterstützung anbietet. Außerdem braucht es Änderungen im Abstammungsrecht: trans Eltern werden – je nach Personenstand – gar nicht oder nur im bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht in die Geburtsurkunde ihrer Kinder eingetragen. Das bedeutet viele Einschränkungen für trans Familien.

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