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„Ich hasse den schnellen Konsum, den wir uns angewöhnt haben“
Kultur

„Ich hasse den schnellen Konsum, den wir uns angewöhnt haben“

Es ist doch so: Wenn teilen praktisch wäre, würden wir es alle viel öfter tun. Das Sharing-Phänomen ist salonfähig geworden, doch oft stoßen wir an die Grenzen des Teilens

Autor*in Gastautorin Janine Steeger Lesedauer: 4 Minuten
Fahrräder, SUPs, Babyzubehör, Schwangerschaftsmode: Es gibt viele Produkte, die Mann/Frau kauft, aber eigentlich nach ein paar Monaten wieder loswerden will. Im Gastbeitrag erzählt Janine Steeger, aka Green Janine, was sie im Alltag stört und warum Teilen die Lösung für all ihre Probleme wäre

Erst vor ein paar Tagen hat wieder eine Nachbarin bei uns geklingelt, um unsere Bohrmaschine auszuleihen. Weil wir eine Profi-Maschine haben, die wirklich alles bohrt, ist das Ding äußerst beliebt und damit ständig in Gebrauch. Umgekehrt leihe ich gerne den großen Bräter bei meiner Schwester, die nebenan wohnt, und bei anderen Nachbarn schon mal Gartengeräte oder Stühle, wenn viele Gäste kommen. Meine Familie und ich wohnen jetzt seit fast fünf Jahren in unserem Reihenhaus und haben direkt nach Einzug angefangen zu sharen. Weil es Geld spart und weil es einfach vollkommen unsinnig ist, dass jeder alles selbst besitzt und damit seine Regale zumüllt.

Autosharing ist ja ein gern genommenes und oft kritisiertes Beispie

Vor vier Jahren haben wir unser Auto abgeschafft. Seitdem nutzen wir im Bereich der Mobilität nahezu alle Sharing-Angebote, die es gibt, wenn das eigene Rad gerade nicht zur Verfügung steht oder das Wetter einfach nicht mitspielt. Insbesondere in urbanen Räumen kann ich mir inzwischen gar keine andere Mobilität mehr vorstellen. Denn das eigene Auto hat auch bei uns 90 Prozent des Tages rumgestanden. Was für ein Irrsinn, wenn man bedenkt, wie viel Geld so ein Auto frisst.



Teilen ist für mich an ganz vielen Punkten das neue Haben. Wohl wissend, dass der Sharing-Gedanke sich nur dann positiv auf Klima und Umwelt auswirkt, wenn man Privatbesitz wirklich abschafft. Autosharing ist ja ein gern genommenes und oft kritisiertes Beispiel. Wenn Menschen ihr eigenes Auto behalten und nur, wenn es praktisch ist, Carsharing nutzen, haben wir in der Konsequenz mindestens genau so viele Autos wie vorher auf der Straße oder im schlechtesten Fall sogar noch mehr.

Es gibt so viele Momente, in denen ich denke: Macht das wirklich Sinn, das selbst zu kaufen?

Als ich schwanger war, habe ich mit einer Freundin stundenlang darüber sinniert, wie bekloppt das ist, dass man diese ganzen Klamotten kauft, in die man nach der Geburt hoffentlich nie wieder reinpasst. „Eigentlich müsste man die mieten können“, sagten wir damals, 2010. Das geht inzwischen natürlich längst. Genauso wie es Angebote für so viele andere Sachen gibt, die nur eine kurze Zeit gebraucht werden. Babykleidung, überhaupt das ganze Babyzubehör. Wird alles tausendfach gekauft und manchmal nach wenigen Wochen wieder rausgeschmissen, weil das Kind zu groß geworden ist oder es das Teil, das Eltern für unbedingt notwendig hielten, partout nicht mag.
Das ist übrigens auch ein ganz wichtiger Punkt: Ich würde gerne Sachen mieten, von denen ich mir noch nicht sicher bin, ob ich sie mag oder ob sie zu mir passen. Ich wünsche mir beispielsweise schon lange ein Rennrad. Ich hab‘ mich in die Vorstellung verliebt, wie gut, wie sportlich und modern ich damit aussehen könnte auf Kölns Straßen. Gleichzeitig weiß ich nicht, ob mir die Körperhaltung möglicherweise Rücken beschert und ich die schmalen Reifen bei den vielen Straßenbahnschienen in der Stadt ganz schnell hassen lerne. Nichts scheint mir an dieser Stelle sinnvoller, als einfach mal zu testen.



Ganz grundsätzlich habe ich an mir als Kundin bemerkt, dass ich bei Sharing-Angeboten davon ausgehe, dass sie schnell und einfach verfügbar sind. Und wurde enttäuscht, als ich für den Kindergeburtstag unseres Sohnes ein Zelt mieten wollte, damit die kleinen Gäste bei uns im Garten eine Übernachtungsparty feiern können. Es gab zu dem Zeitpunkt auch ein Zelt bei einem Discounter. Natürlich zu einem unschlagbaren Preis. So einer, bei dem man sagt: Ist doch nicht schlimm, wenn das nicht lange hält.

Als Green Janine hasse ich aber diesen schnellen Konsum, den wir uns angewöhnt haben, weil er möglich ist. Also habe ich bei einer nachhaltigen Outdoor-Firma ein Zelt zum Mieten angefragt. Leider bekam ich die Antwort, dass es wochenlang ausgebucht sei. Verständlich, weil mitten in der Ferienzeit. Trotzdem war ich enttäuscht.



Ganz aktuell haben wir folgenden Fall in der Familie: Mein Mann hat sich bei einem Wochenende am Wasser euphorisch als SUP-Fan geoutet und bei Freunden die aufblasbare Variante des Boards für Stand Up Paddeling bewundert. Genau die habe ich in der Vorbereitung der SHARE auf der Homepage von OTTO NOW entdeckt und sofort gewusst: Das schenk‘ ich ihm mal für einen Monat. So bleibt der Keller luftig und keiner muss sich ärgern, wenn die Begeisterung doch schneller nachlässt als gedacht.

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