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#experienced: Braucht es ein Netzwerk für ältere Mitarbeiter*innen?
Kultur

#experienced: Braucht es ein Netzwerk für ältere Mitarbeiter*innen?

Über das Netzwerk #experienced. Um ältere Mitarbeiter*innen nicht zu vergessen

Autorin Linda Gondorf Lesedauer: 5 Minuten
Warum braucht es ein Netzwerk für ältere Mitarbeiter*innen? Weil es verschiedene Formen der Diskriminierung im Alltag und im Arbeitsleben gibt. Das Netzwerk #experienced bei OTTO gibt den älteren Mitarbeiter*innen eine Stimme und zeigt auf, was sich in der Gesellschaft und in den Unternehmen ändern sollte. Ein Gespräch mit Dr. Leonie Koch und Petra Spiegel, Gründungsmitglieder des Netzwerks

Hallo Leonie, hallo Petra, ihr seid beide Mitglieder im Netzwerk #experienced. Was macht ihr beiden außerhalb eurer Aktivität im Netzwerk bei OTTO?

PETRA SPIEGEL: Ich bin Projektmanagerin im Bereich Händlersteuerung, war früher die längste Zeit Zentraleinkäuferin und bin schon seit über 20 Jahren im Unternehmen.
DR. LEONIE KOCH: Ich bin Content Managerin im Bereich Home & Living und mache dort alles, was mit Bild, Text, Video und CGI von Produkten auf otto.de zu tun hat. Ich bin fast so lange bei OTTO wie Petra.

Das Netzwerk gibt es nun seit gut zwei Jahren. Es soll die Interessen älterer Mitarbeiter*innen vertreten und dabei für künftige demografische Entwicklungensensibilisieren. Warum braucht es solch ein Netzwerk?

LEONIE: Das Diversity-Bewusstsein zeigt auf, dass es verschiedene Formen der Diskriminierung im Alltag und im Arbeitsleben gibt, auch gegenüber Älteren. Deshalb ein Netzwerk für erfahrene, also #experienced Mitarbeiter*innen. Auf den ersten Blick bieten OTTO und die Otto Group als Arbeitgeber viel für alle Altersklassen. Aber es gibt leider doch eine gewisse Benachteiligung der älteren Kolleg*innen - mal eher unbeabsichtigt oder sogar unbewusst. Wenn wir uns zum Beispiel mal unseren Webshop oder auch unsere Werbung anschauen, dann dominieren vor allem junge Gesichter. Das kann ich einerseits nachvollziehen. Andererseits wünsche ich mir dort mit Blick auf alle Generationen mehr Abwechslung, zumal ja ältere Menschen ebenso online einkaufen wie jüngere.

Petra Spiegel Gerade lebenslanges Lernen und offenes Mindset muss verstärkt gefördert werden

Petra Spiegel

Das heißt ihr wollt auf solche Themen aufmerksam machen und dann auch Änderungen bewirken. Was sind noch eure Ziele?

PETRA: Uns als Netzwerk ist wichtig, die Generation 50+ mit ihren Potenzialen und den verschiedenen Untergruppen sichtbarer zu machen. Dabei gilt es insbesondere die Stärken und den Wunsch zur Weiterentwicklung in diesen Altersgruppen aufzuzeigen. Gerade lebenslanges Lernen und offenes Mindset muss verstärkt gefördert werden – das ist der Arbeitsschwerpunkt der Initiatorin des Netzwerks, Sabine Schrader. Denn die einen arbeiten noch viele Jahre für OTTO und wollen diese Zeit sinnvoll einbringen, andere blicken schon auf die Zeit „danach“. Das Feedback bei der Gründung des Netzwerkes #experienced hat klar gezeigt: Häufig fühlen sich ältere Mitarbeiter*innen übersehen oder sogar ausgegrenzt, weil der Fokus auf den Jüngeren liegt. Das Netzwerk will auch zeigen, dass keine*r allein ist, sondern dass wir eine starke Gruppe darstellen.

Gibt es ein Mindestalter, um bei euch dabei sein zu dürfen, oder kann ich auch eintreten? Und wie viele Leute seid ihr bis jetzt?

LEONIE: Nein, es gibt kein Mindestalter und du kannst gern dabei sein! Der Fokus liegt bei #experienced zwar auf Mitarbeiter*innen, die 50 Jahre und älter sind, aber wir wollen ganz bewusst den Austausch der Generationen fördern. Bei unseren Veranstaltungen sind alle Kolleg*innen willkommen - und viele Angebote werden auch von Jüngeren wahrgenommen. An unseren Veranstaltungen nehmen bis zu 170 Leute teil, in unserem Office-365-TEAMS und auf Yammer haben wir über hundert Mitglieder - auch das sind Zeichen für die stetig steigende Relevanz des Netzwerks. Das Kernteam von #experienced pflegt darüber hinaus einen engen Austausch mit ähnlichen Netzwerken in anderen Unternehmen und mit bundesweiten Communities mit Demografie-Schwerpunkt.

Was habt ihr schon bewirkt?

PETRA: Seit unserer Gründung im Sommer 2018 haben wir auf jeden Fall Aufmerksamkeit im Unternehmen geschaffen, auch dafür, dass Altersdiversität eine große Chance ist! Wir organisieren vielfältige Veranstaltungen zu unseren Schwerpunktthemen, etwa zu aktuellen Forschungen über mentale und körperliche Fitness bis ins hohe Alter, Digitalisierung und IT-Kompetenzen, Gesundheit und Ernährung. Das derzeit fast flächendeckende mobile Arbeiten wird von älteren wie jüngeren Mitarbeiter*innen gleichermaßen ganz einfach umgesetzt nach dem Motto: „Digitalisierung können wir!".

Dr. Leonie Koch Das derzeit fast flächendeckende mobile Arbeiten wird von älteren wie jüngeren Mitarbeiter*innen gleichermaßen ganz einfach umgesetzt nach dem Motto: „Digitalisierung können wir!".

Dr. Leonie Koch

Gerade in Coronazeiten ist Digitalisierung ein großes Thema. Wie nehmt ihr gerade den Wandel wahr?

PETRA: Corona verstärkt die Altersdiskriminierung, Stichwort: Risikogruppe. Es gibt Aussagen von Jüngeren, die meinen, wenn ältere Menschen zu Hause blieben, müssten die Jüngeren sich nicht so stark einschränken. Natürlich stimmt es, dass ältere Menschen schwerer erkranken. Junge sind aber ebenso betroffen. Die Idee, eine grundlegende „Altersquarantäne” einzuführen, halte ich für falsch.

LEONIE: Grundsätzlich ist die Arbeit von zu Hause für ältere Kolleg*innen nicht nachteilig, im Gegenteil: Wir alle arbeiten oft konzentrierter als im Großraumbüro und effizient – sofern wir zum Beispiel keine kleinen Kinder betreuen oder Eltern pflegen müssen. Zum Thema Digitalisierung kann ich nur sagen: Sie erleichtert die Zusammenarbeit auch für uns grundsätzlich und sehr positiv ist, dass es bei OTTO dazu Weiterbildungsmaßnahmen für alle gibt. „TechUcation“ als kuratiertes Online-Learning per Video etwa ist ein großartiges Angebot, gerade auch für Ältere. Die zunehmende Vielfalt der Systeme in Arbeitskontext und die beschleunigte Informationsflut auf immer mehr Kanälen erschwert aber wohl eher den Älteren, den Überblick zu behalten.

Eine ganz allgemeine Frage, aber doch sehr wichtig, weil da selten drüber gesprochen wird. Habt ihr manchmal das Gefühl ausgegrenzt zu werden?

LEONIE: Ja, solche Situationen gibt es. Gerade Themen wie berufliche Weiterentwicklung, Talent-Management und Optionen auf Karriere – fachlich oder disziplinarisch – sind unseres Erachtens sehr wichtig. Denn heute für die Ü50er und noch viel mehr in Zukunft für die Jüngeren muss ein sinnvolles Arbeitsleben bis 67 Jahre geboten werden – ja, sogar Angebote, einfach noch länger weiterzuarbeiten, wenn jemand will.

Fühlt ihr euch als ältere Menschen in der jetzigen Situation nicht genug gesehen? Oder ist alles fein?

LEONIE: Das ist eine Frage, die jede*r nur individuell beantworten kann. Wir im Kernteam von #experienced planen und erstellen derzeit eine kleine Online-Umfrage, um solchen subjektiven Wahrnehmungen näher zu kommen. Besonders ist aber die Gründung des Board of Diversity Networks und dessen Schirmherrin Katy Roewer ein deutliches Zeichen, dass beides stimmt: Nicht alles ist gut, aber es wird jetzt fokussiert, was besser werden soll.

PETRA: Durch die regelmäßigen Videocalls, virtuelle Kaffeeecken, gemeinsame Projektarbeiten mit und in den Teams besteht ein guter Kontakt untereinander. Gerade Online-Kaffeepausen für persönliche Gespräche sind wichtig, um sich nahe zu bleiben. Schöner wäre es aber schon, wenn wir bald wenigstens 1-2 Tage in der Woche auf den Campus kommen können.

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