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Wie reagieren, wenn sich eine Person in einem Transitionsprozess befindet?
Kultur

Wie reagieren, wenn sich eine Person in einem Transitionsprozess befindet?

Hendrik Wimmer ist Abteilungsleiter Auffindbarkeit bei OTTO und erzählt im Interview trans Menschen und seinen Umgang als Führungskraft

Autor Francesco Di Bari Lesedauer: 3 Minuten
„Ich wünsche mir, wir müssten nicht darüber reden.“ Hendrik setzt sich in seinem Umfeld und Team für das Thema Diversität, Toleranz und Gleichbehandlung ein. Trotzdem hatte er bei einem Thema null Erfahrung: Menschen in einer Transition. Was tun als Führungskraft? Im Interview erzählt er offen über seine Herangehensweise, seine Sorgen und was er allen Führungskräften empfehlen würde.

Moin Hendrik, du hast als Führungskraft bereits Berührungspunkte mit Menschen gehabt, die trans sind oder sich in Transition begeben haben – Namensänderung inklusive. Wie war das für dich?

Für mich war das eine völlig neue Situation. Ich habe mich gefragt: Wie reagiere ich darauf, zu wissen, dass sich eine Person in einem Transitionsprozess befindet? Ist das einen Glückwunsch wert, wegen des mutigen Schritts? Oder reagiere ich lieber neutral, als wäre es die normalste Sache der Welt? Ich hatte null Erfahrung mit Menschen in Transition. Und ich wusste auch nicht, was der Schritt an sich und die Gesprächssituation mit mir als Führungskraft dazu für mein Gegenüber bedeutet. Kurzum: Das war gerade zu Beginn echt herausfordernd.

Wie gehst du heute mit dem Thema um?

Ich möchte unbedingt souverän und unterstützend reagieren. Eine vollständige Gleichbehandlung ist mir sehr wichtig, da gibt es für mich keinen Spielraum. Als Führungskraft gebe ich deshalb Unterstützung und Rückhalt, wo immer es nötig ist – sei es bei Gesprächen mit HR, in der Administration oder auch bei den ITSystemen, um die Namensänderung durchzusetzen. In Einzelgesprächen thematisiere ich das Thema nicht proaktiv, es sei denn, die Person wendet sich dazu direkt an mich. Grundsätzlich behandle ich die Transition absolut vertraulich und überlasse es voll dem*der Mitarbeiter*in, ob und wie es im Team thematisiert wird.

Hendrik Wimmer, Abteilungsleiter Auffindbarkeit bei OTTO Eine vollständige Gleichbehandlung ist mir sehr wichtig, da gibt es für mich keinen Spielraum.

Hendrik Wimmer, Abteilungsleiter Auffindbarkeit bei OTTO

Auf was sollten Führungskräfte besonders achten?

Wichtig ist, dass Diversität, Toleranz und Gleichbehandlung nicht nur in der Kommunikation stattfinden, sondern im Alltag und im Arbeitsumfeld wirklich angekommen sind. Die Mitarbeitenden brauchen die Sicherheit, dass ihre Transition im Arbeitskontext okay ist. Da kommt es auch auf die Sensibilisierung von uns als Führungskräften an: Bei Themen wie Religion, Herkunft oder auch Gesundheit, bringen wir oft ein Gespür aus der eigenen Erfahrung mit. Das Thema der Transgeschlechtlichkeit hingegen ist für viele neu und ungewohnt, da fehlt die Sicherheit. Ich habe festgestellt, dass trans Mitarbeiter*innen durchaus „robust“ und natürlich mit dem Thema umgehen können und ich nicht ständig Angst haben muss, etwas Falsches zu sagen. Das hilft mir sehr.

Was hast du gelernt?

Vor allem wie wichtig es ist, dass der alte Name schnell und möglichst komplett verschwindet. Es fiel mir persönlich zwar recht leicht, den Namen aus meinem Kopf zu bekommen, so dass er nicht im Gespräch unbedacht rausrutscht. Bei IT-Systemen und Prozessen aber war das schwieriger – und es hat aus juristischen Gründen auch noch nicht überall auf Anhieb geklappt. Das wird sich aber bald ändern, wir haben da eine Lösung gefunden. Ich bin froh, dass wir hier unter anderem mit MORE* und Katy Roewer viel Unterstützung haben.

Wie bist du im Team damit umgegangen, Stichwort: Aufklärung?

Ich würde es immer wieder trans Mitarbeiter*innen überlassen, selbst zu entscheiden, ob und wie sie intern damit umgehen. Ich weiß, dass heute viele bei uns im Team von der Transition wissen. Dass es dadurch zu einem anderen Umgang oder gar einer Diskriminierung gekommen wäre, habe ich nicht erlebt.

Was denkst du, wird bislang zu wenig über Transidentitäten geredet?

Ich wünsche mir, wir müssten nicht darüber reden. Aber dem ist noch nicht so. Ich merke an mir selbst, dass mir als Führungskraft manchmal noch die Souveränität mit dem Thema fehlt. Deshalb finde ich es wichtig, über Transidentitäten und Diversität zu sprechen – auch weil das Berührungsängste abbaut. Das machen wir an vielen Stellen schon gut, ich sehe da aber noch Luft nach oben, etwa in Führungskräfteworkshops.

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