Nein, ich bin nicht über Nacht Mutter einer Tochter im Teenageralter geworden. Aber als ich vor einiger Zeit mit meiner Chefin Claudia in unserer Büroküche stand, erzählte sie mir vom Vorhaben ihrer Tochter Liv, sich von nun an vegan zu ernähren.

Veganer Teenager zu Hause
Ganze vier Monate ist das nun her und Liv ist immer noch am Ball. Ich finde das toll – aber wie läuft das eigentlich in einer fünfköpfigen Familie, wenn einer beschließt, seine Ernährung zu ändern?
Gerade in Familien gehört gemeinsames Essen doch zum Standard. Ist es überhaupt vertretbar für eine Jugendliche im Wachstum, ohne tierische Produkte zu leben? Das wollte ich doch genauer wissen und bat Claudia, für uns einmal aus dem Nähkästchen bzw. aus der heimischen Küche zu plaudern. Gesagt, getan und – voilà – los geht es mit Claudias Erfahrungsbericht.
- Erste Gedanken zur veganen Ernährung meiner Teenie-Tochter
- Warum will meine Tochter Veganerin werden?
- Wie geht das, Eltern eines veganen Teenagers zu sein?
- Basis-Fragen zur Versorgung eines veganen Teenagers
- In der Großstadt ist es einfacher, vegan zu leben
- Vegane Showstopper: die Fleisch liebenden Geschwister
Erste Gedanken zur veganen Ernährung meiner Teenie-Tochter
Generell finde ich es natürlich prima, wenn meine Kinder sich Gedanken darum machen, wie das Leben besser zu gestalten ist. Im Kleinen und im globalen Ganzen. Beim Thema Ernährung kommt beides ja sogar zusammen. Aber als meine 13-Jährige Tochter vor einigen Monaten verkündete, Veganerin werden zu wollen, bekam ich einen Schreck. Die Pubertät ist doch so anstrengend, wird sie nicht in wenigen Wochen mangelernährt sein? Verträgt sich eine so substanzlose Diät mit ihrem immerhin viermal wöchentlich absolvierten Ballettunterricht? Wer besorgt denn das ganze Spezialessen? Wer bereitet es zu? Kostet das nicht auch eine ganze Menge?
Warum will meine Tochter Veganerin werden?
Auslöser war ein Film, der in der großen Pause auf dem Smartphone kursierte. Zu sehen waren dort die gebeutelten Kreaturen der Massentierhaltung: wehklagende Kühe mit übervollen Eutern, ausgemergelte Hühner, die erschöpft von der Stange fallen. Kein Wunder, dass meiner Tochter der Appetit auf Industrie-Fleisch vergangen ist. Ich selbst bin Vegetarierin, hätte das nicht gereicht? Selbstverständlich nicht. Denn klar ist ja auch: Meine Tochter möchte schließlich ihr eigenes Ding durchziehen.
Wie geht das, Eltern eines veganen Teenagers zu sein?
Schließlich wissen wir ja selbst: Dinge, die uns verboten werden, können in der Fantasie ganz schön wuchern. Mein Mann und ich entschieden uns also, sie zu unterstützen. Erster Schritt: Erst einmal schlau machen. Sehr hilfreich fanden wir die Liste „How to Be a Vegan Teenager“. Ich fragte mich natürlich, wo die Liste „How to Be Parents of a Vegan Teenager“ bleibt. Nun, der Versuch einer Antwort ist dieser Artikel. Da mein Mann Ernährungswissenschaftler ist, ließen sich grundsätzliche Fragen recht einfach klären.

Unsere Fragen zur Versorgung eines veganen Teenagers
Gerade Kinder und Jugendliche im Wachstum müssen auf eine ausreichende Kalziumzufuhr achten. Wie geht das bei veganer Ernährung?
- Wichtig ist vor allem die Kombination von Kalzium und Vitamin D – das fördert die Kalziumeinlagerung in den Knochen. Gute Kalziumlieferanten sind beispielsweise Hülsenfrüchte oder mit Kalzium angereichertes Mineralwasser.
Gerade junge Frauen müssen viel Eisen aufnehmen, ein Nährstoff der vor allem in tierischen Produkten hoch vertreten ist. Wie wird der Eisenbedarf meiner veganen Tochter am besten gedeckt?
- Tatsächlich ist die Aufnahme von pflanzlichem Eisen etwas geringer als von tierischem, daher ist es gut eisenhaltige Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Trockenfrüchte, Soja-Produkte oder grünes Blattgemüse mit Vitamin-C-haltigen Lebensmitteln wie Saftschorlen oder Paprika zu kombinieren.
Worauf sollte man bei veganer Ernährung von Teenagern besonders achten?
- Vitamin B2 und B12 sind zwei Nährstoffe, die bei veganer Ernährung manchmal zu kurz kommen. Gute Lieferanten von Vitamin B2 sind Hülsenfrüchte, Pilze und Nüsse. Vitamin B12 kommt in pflanzlichen Lebensmitteln nicht vor, da ist es tatsächlich ganz gut auf eine entsprechende Nahrungsergänzung zurückzugreifen. Wir haben uns dazu in der Apotheke beraten lassen.

In der Großstadt ist es einfacher, vegan zu leben
Dass wir in Hamburg, einer Stadt mit wachsender veganer Szene und dann auch noch im Öko-Stadtteil Ottensen leben, hat unser Projekt zusätzlich erleichtert. Wir speisten im Leave und besuchten die vegane Kochschule Kurkuma. Im veganen Supermarkt und der entsprechenden Abteilung unseres bevorzugten Biomarktes wurde erst einmal eine breite Palette an Basis-Lebensmitteln angeschafft, damit unsere Tochter ausprobieren konnte, was ihr an veganen Lebensmitteln überhaupt schmeckt. Tofu? Fiel durch. Saitan? Schon eher. Reismilch? Igitt. Sojamilch? Schon besser. Frustrierend ist auch das Studium der winzig gedruckten Bestandsstoff-Listen: Man möchte gar nicht so genau wissen, wo überall Gelantine, Eiweiß und andere für Veganer verbotene Stoffe drinstecken…
Vegane Showstopper: die Fleisch liebenden Geschwister
Soweit, so gut. Was das vegane Projekt kompliziert macht, sind unser 16-jähriger Sohn und seine 7-jährige Schwester. Fanny brach erst einmal in Tränen aus, als sie vom Plan ihrer älteren Schwester erfuhr: „Du willst gar kein Fleisch mehr essen? Auch kein Hähnchen? Du wirst verhungern?“, befand sie aufgelöst. Der Bruder schob sich genüsslich ein Salami-Brot in den Mund und meinte nur trocken: „Das hältst Du doch sowieso nicht durch.“ Wir werden sehen. Vier Monate währt unser Leben mit veganer Tochter nun, Mangelerscheinungen sind nicht festzustellen. Der Zusatzaufwand beim Einkaufen und Kochen nervt ein wenig, ebenso das Beipackzettelstudium. Insgesamt hält sich das aber in Grenzen. Und wir alle sprechen und denken viel mehr über das nach, was wir essen. Last but not least sind hier die beiden veganen Lieblingsrezepte unserer Tochter – veganer Schokoladenkuchen und Nudeln mit veganer Bolognesesoße. Die helfen, wenn wirklich gar nichts mehr geht.
Fazit
Super wichtig ist bei der Thematik, dass die Kleinen trotzdem ausreichend mit allen Nährstoffen versorgt werden und nicht einfach nur auf vegan umgestellt wird. Deswegen ist die Aufgabe der Eltern sich hier ausreichen zu informieren.
Generell sind Kinder sehr vielen Meinungen und Eindrücken von aktuellen Debatten, wie zum Beispiel Klima und Fridays-for-Future ausgesetzt. Das arbeitet natürlich in manchen. Außerdem kann dies auch für den Rest der Familie eine Chance sein, neue Dinge auszuprobieren und mehr Achtsamkeit für Konsum und Ernährung zu entwickeln.
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