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Die Reise der besten Idee
Kundenfokus

Die Reise der besten Idee

Autorin Annika Remberg Lesedauer: 4 Minuten
Hackathons sind Urquell unzähliger Ideen. Doch was geschieht, wenn eine Idee sich an die Wasseroberfläche gekämpft hat? Schafft sie es, abgeschöpft zu werden oder geht sie im Strudel der vielen anderen Ideen unter? Über die Reise einer Hackathon-Idee aus 2015.

Morgens halb zehn in Deutschland – jetzt zum Nussriegel einen Kaffee. Doch was, wenn die Maschine streikt und die Bedienungsanleitung wieder mal nicht auffindbar ist? Die Problematik plötzlich verschollener Gebrauchsanweisungen kennen viele und ein fünfköpfiges Team wollte sie lösen.

Einfach und einleuchtend – das macht den OTTO-Produktassistenten zu einem der besten Einfälle der InnoDays 2015. Als eine der Gewinnerideen des dreitägigen Mitarbeiter-Hackathons bei dem Hamburger Onlinehändler soll der Assistent Informationen rund um Produkte und Zubehör noch schneller vermitteln. Ein kleiner rechteckiger Sticker, unauffällig angebracht an der Front einer Waschmaschine oder der Seite einer Kaffeemaschine. Hält ein Kunde sein Handy an das Rechteck, überträgt der dahinter liegende Chip via Near-Field-Communication (NFC) kleine Datenpakete direkt auf das Handy – eine Internetseite öffnet sich. Darauf findet der Kunde zusätzliche Serviceleistungen wie Gebrauchsanweisungen, Rezeptideen oder Kaufvorschläge für Kaffeekapseln und Waschmittel. Soweit die Theorie.

Von der Idee zum Prototyp

72 Stunden später ist aus der Theorie ein erster Prototyp geworden. Eines der eigenen Handys dient dem Team als Grundlage für die Umsetzung des Use-Cases: „Wir haben einen Sticker besorgt, eine provisorische Website gebaut und eine Verbindung zwischen beiden Elementen hergestellt. Auf der Website waren ganz unterschiedliche Informationen zu finden: Garantieleistungen, Bedienungsanleitungen und Zubehör für das Handy“, so Benjamin Böge, Teil des Teams, das den ersten Prototypen vom Produktassistenten entwickelte. Auch das Design erstellt das Team selbst, druckt Schablonen aus und klebt sie auf den NFC-Sticker. Alles für einen realistischen ersten Eindruck.

Der Aufwand kommt an. Die Idee, dem Kunden schneller und einfacher Zusatzleistungen für gekaufte Produkte zur Verfügung zu stellen, erreicht im Wettbewerb um die beste Idee den dritten Platz. „Die Idee war einfach ein Problemlöser. Problem „Bedienungsanleitung finden“ – gelöst, Problem „wie entkalke ich meine Kaffeemaschine?” – gelöst. Mit dem Produktassistenten hatten die Kunden alle Informationen immer griffbereit. Und auch für OTTO war der Nutzen klar: die langfristige Kundenbindung“, erzählt Benjamin weiter.

Vom Prototyp zum Produkt – der erste Test

Doch wie geht es nach der Kür auf Platz drei weiter, wie wird aus der Idee ein tatsächliches Produkt? Die Antwort darauf ist so simpel wie anglophil: test and learn. Im Fall des Produktassistenten heißt das: gemeinsame Projektarbeit über den Hackathon hinaus. Benjamin Böge und Tim Buchholz, ursprünglicher Ideengeber des Produktassistenten, sind so überzeugt von dem Produkt, dass sie alle zusätzlichen Kapazitäten in das Projekt stecken, Kollegen von der Idee überzeugen, auch nach Feierabend Recherchen für die bestmögliche Umsetzung anstellen. Nach wenigen Monaten folgt der erste Produkttest. Das Kundenfeedback zeigt: Der Produktassistent kommt an. Mehr als 90 Prozent der Nutzer geben an, das Tool getestet zu haben und es in Zukunft gerne wieder zu tun.

Der erste Abschnitt der Reise ist geschafft, die Kunden bewerten das Produkt positiv. Hat es eine Idee bis hierher geschafft, gilt es, die nächste Hürde zu nehmen: Wie lässt sich die Idee in Erlöse ummünzen? Denn schließlich soll das Ganze auch wirtschaftlich Sinn ergeben. Um diese Frage zu beantworten, reist die Idee weiter zum nächsten Team. OTTOs Servicebereich erarbeitet gemeinsam mit der Category Electronic & Digital einen großangelegten A/B-Test. Über sechs Monate erhalten etwa 15.500 Kunden zu ihrem Produkt einen NFC-Sticker, noch einmal so viele erhalten keinen. Getestet wird der Produktassistent bei Wasch- und Spülmaschinen, Notebooks, Kaffeevollautomaten und Küchenmaschinen. Neben Onlinebefragungen erhebt die Studie auch das Online-Nutzungsverhalten der Kunden.

Zufriedene Kunden – mit und ohne Produktassistent

„Wir wollten wissen, was der Produktassistent wirklich fürs Produkt tut“, erklärt Claudia Feltkamp, Abteilungsleiterin der Category Electronic & Digital. „Kaufen Kunden mehr Verbrauchsmaterial? Bewerten sie OTTOs Service besser? Verbessert sich OTTOs Image durch die Service-Innovation?“ Die Antwort: Ein klares „Jein“. Zwar bewerten Kunden, die den NFC-Sticker getestet haben, OTTOs Kundenservice positiv und bestätigen eine hohe Produktzufriedenheit, diese Ergebnisse erzielen allerdings auch Produkte, die keinen NFC-Sticker beiliegen haben. Sowohl Test- als auch Kontrollgruppe der Studie zeigen sich also mit ihrem Kauf zufrieden – mit oder ohne Produktassistent.

Die Idee lebt weiter

Ist die Reise der Idee damit abrupt zu Ende? Sicher nicht. Obwohl der Produktassistent keinen ausreichenden Mehrwert bietet, um ihn in großem Stil einzuführen, generiert die Arbeit an dieser Idee neuen Kundennutzen. „Der erste Test hat gezeigt, dass die Zusatz-Services gut ankommen. Um unseren Kunden Erklärvideos oder Gebrauchsanweisungen zu zeigen, brauchen wir aber keine Sticker. Diese Zusatzleistungen lassen sich zukünftig gut in unsere Kundenkonten integrieren“, so Sarah Wedig, die den A/B-Test für den Servicebereich begleitet. Auch die Idee, Kunden passende Zusatzprodukte wie Spülmaschinentabs oder Kaffeefilter vorzuschlagen, wird weitergedacht und ausgearbeitet: Mit OTTO ready sind die Geräte so vernetzt, dass die App den Kunden ein Zeichen gibt, sobald die Vorräte zuneige gehen.

Benjamin Böge ist von dem Erfolg der Idee überzeugt: „Es braucht Menschen, die sich für neue Ideen in Unternehmen einsetzen, die Zeit aufbringen und bereit sind, einen Schritt mehr zu gehen, selbst wenn das Produkt am Ende des Tages nicht auf den Markt kommt.“ Das Scheitern eines Produktes ist also nicht das Scheitern der Idee. Vielmehr sprudelt die Quelle weiter, bahnt sich ihre Wege und wird vielleicht doch noch zu einem reißenden Strom. Doch sie braucht Menschen, die leidenschaftlich daran arbeiten und Unternehmen, die genau das zulassen.