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Hauptsache satt?
Kultur

Hauptsache satt?

Warum Unternehmen ihre Kantinen zu Gourmettempeln weiterentwickeln

Autorin Kathrin Wittig Lesedauer: 3 Minuten
Es brodelt, es dampft. Es springt einem ins Auge und dringt im gleichen Moment in die Nase. Und im Bruchteil von Sekunden signalisiert das Gehirn: „Haben will!“ Oder auch nicht. Wir müssen über Kantinenessen reden.

Wer gern kocht oder zumindest isst, der kennt diese Reaktion auf Essen, das so appetitlich aussieht wie es duftet: fast fertig, nur noch ein kurzer Moment. Dann liegt es auf dem Teller und dann – endlich! – landet der erste Löffel im Mund. Ein Genuss!

Die Rede ist in diesem Fall von Shakshuka. Bei dem Gericht, das zumindest Israel-Fans bekannt sein dürfte, handelt es sich um „versunkene Eier“ – in diesem Fall in Tomaten, Paprika und Knoblauch. Die deutsche Küche kennt Shakshuka noch nicht wirklich – umso ungewöhnlicher also, dass es die israelische Köstlichkeit sogar auf den Kantinen-Speiseplan geschafft hat.

Shakshuka - OTTO-Style

Doch warum der Aufwand? Reicht es denn nicht, in Kantinen die Klassiker wie Currywurst mit Pommes oder Spaghetti Bolognese auf den Speiseplan zu bringen, um mit möglichst wenig Einsatz möglichst viele Menschen satt zu kriegen? Warum nicht auf Nummer Sicher gehen? „‘Hauptsache satt‘ gilt heute nicht mehr“, weiß Küchenchef Florian Kerl (32). „Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Küche wird immer mehr Menschen immer wichtiger. Ob privat oder im Arbeitsumfeld. Deshalb wollen wir unseren Gästen nicht immer die gleichen Klassiker anbieten.“

A New Way of Working in der Kantine

Essen kann nicht nur glücklich machen, sondern dazu produktiv - das wissen auch Unternehmen. Und so machen auch New Work, also der Wertewandel hin zu mehr Flexibilität bei der Arbeit, und die neuen Arbeitswelten nicht Halt vor den Räumen der Gemeinschaftsverpflegung. „Investitionen in unser Kantinenkonzept sind Investitionen in unsere Mitarbeiter“, weiß Katy Roewer, die in ihrer Funktion als Vorstand Service bei OTTO so etwas ist wie die Ober-Chefin der Gastronomie auf dem Campus. Und diese Mitarbeiter sollen nach der Mittagspause eben nicht einfach nur satt sein, sondern auch zufrieden.

Auch außerhalb der Unternehmensmauern ist gutes Essen für die Mitarbeiter ein Thema: „Auf dem Arbeitsmarkt tobt der vielzitierte ‚war for talents‘: In vielen Bereichen konkurrieren die Unternehmen um die besten Talente. Gerade in der digitalen Wirtschaft. Neben Aspekten wie Gehalt oder Position werden heutzutage bei der Wahl des Arbeitgebers auch die weichen Faktoren in die Entscheidung einbezogen. Mit unserem Gastronomie-Konzept wollen wir den Bewerbern einen klaren Anreiz für unser Unternehmen bieten“, sagt Roewer.

Ein klarer Anreiz ist das neue Food-Konzept auch für die 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „Elbe“: Sie bereiten alle Gerichte im Front Cooking zu. Gekocht wird frisch, direkt vor den Augen des Gastes an den dezentral angeordneten Stationen.

Bei der Auswahl der Zutaten legt Florian Kerl Wert auf Frische, Regionalität und nachhaltigen Einkauf. „Fleischqualität und Tierwohl hängen unmittelbar zusammen“, betont der Küchenchef. Den Anteil von Convenience Food beschränken er und sein Team deshalb auf ein Minimum. „Vorpanierte Schnitzel kommen uns nicht auf den Teller!“. Lieber schneiden sie große Stücke gebratenes Fleisch direkt vor den Augen des Gastes an – und freuen sich, wenn diesem dabei das Wasser im Mund zusammenläuft: „Der Show-Faktor ist ein wesentliches Element des Front Cookings“, schmunzelt Kerl. Ein anderes ist die direkte Kommunikation: Wer Fragen hat zu den Köstlichkeiten, die in den Schüsseln und Töpfen vor ihm schmoren, köcheln und brutzeln, der spricht die Köche direkt an. Transparenz auf dem Teller.

Mehr Restaurant, weniger Kantine

Florian Kerl ist nach einigen Stationen in der Hamburger Hotellerie und Gastronomie seit 2013 bei OTTO. Seit rund zwei Jahren leitet er das Team der „Elbe“. Hamburgs berühmter Fluss war Namensgeber für die rund 2.000 Quadratmeter große Kantine mit 750 Sitzplätzen, die nach einer Komplettrenovierung und Neueröffnung im Oktober 2017 eher an ein schickes Restaurant in der Hamburger HafenCity erinnert als an einen Mittagspausenraum eines Großunternehmens: Der Gastraum gliedert sich in mehrere Bereiche. Lange Community-Tables sind nicht nur zum Essen da, sondern fördern Interaktion und Kommunikation, auch abseits der Mittagspause. So will die Kantine eben auch eine moderne Meeting-Fläche sein, die den Wandel der Arbeit unterstützt.

Gastfreundschaft: In der "Elbe" essen Kollegen bei Kollegen

Nicht zufällig hat sich das Kochwerk, der firmeneigene Betreiber der „Elbe“ und der anderen Kantinen und Bistros auf dem OTTO-Campus, den Slogan „Zu Gast bei Kollegen“ verpasst.

„Menschlichkeit und Gastfreundschaft werden bei uns großgeschrieben“, sagt Kerl. Dazu gehören inzwischen auch Rezepttipps für die begeisterten Gäste. Was also macht seine Shakshuka so unwiderstehlich, dass sie es inzwischen regelmäßig auf den „Elbe“-Speiseplan schafft? Kerl zählt die bekannten Zutaten auf, stockt – und lacht: Wie jeder Koch will auch er sich nicht zu tief in den Topf gucken lassen: „Ein paar Geheimnisse behalten wir natürlich für uns.“

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